Alessandra Zito • 30.11.2016

Ein Gesetz allein vermag die Diskriminierungsproblematik nicht zu lösen. Wir haben bereits ein Diskriminierungsverbot. Die schweizerische Bundesverfassung postuliert in Artikel 8 das Gleichheitsgebot, das Diskriminierungsverbot, das Gleichstellungsgesetz für Frau und Mann sowie das Behindertengleichstellungsgesetz. In Artikel 8 werden Merkmale wie Geschlecht, Alter, psychische wie auch körperliche Einschränkungen, religiöse und politische Überzeugungen, Lebensformen, Herkunft oder soziale Stellung genannt, aufgrund derer niemand diskriminiert oder schlechtergestellt werden darf. Trotz Gesetz findet Diskriminierung statt und das nicht nur wegen des Alters. Wir dürfen uns nicht nur auf Gesetze stützen und dem Irrglauben verfallen, damit alle Missstände zu beheben. Was wir brauchen, sind Sensibilisierung und Aufklärung. Ich habe in der Rekrutierung zahlreiche Situationen erlebt, in denen Führungskräfte auf den ersten Blick ein diskriminierendes Denken und Verhalten an den Tag legten und erst auf den zweiten Blick deutlich wurde, dass sie es nicht besser wussten. Entscheidungsträger bemerken oft nicht, welche Stereotypen sie mit sich herumtragen und wie eingeschränkt ihre Vorstellungen von Szenarien und Alternativen sind. Ich habe mehr als eine Situation erlebt, bei der nicht Gesetze, sondern offene Gespräche zu einer besseren Lösung führten. Beispielsweise, indem in einem Bewerbungsgespräch über eine anstehende Schwangerschaft gesprochen wurde, obwohl dies gemäss Gesetz nicht zulässig ist.

Was das Alter angeht, erscheint es mir wichtig, sich seinen eigenen diskriminierenden Überzeugungen bewusst zu werden. Alter wird tabuisiert: In vielen Unternehmen und Köpfen erscheint es immer noch undenkbar, dass etwa über 55-Jährige ihre Führungsfunktion abgeben möchten, um sich anderen Aufgaben zu widmen, ohne dadurch Wertschätzung und Anerkennung zu verlieren. Es gilt, die Vorstellungen vom vermeintlich idealen Karriereverlauf zu überdenken. Zu viele glauben, dass Leistung vom Alter abhänge und wir ab einem gewissen Alter weniger leistungsfähig seien. Glaubt man aktuellen Studien, gibt es diesbezüglich jedoch keinen direkten Zusammenhang. Was wir nicht kennen oder was uns fremd ist, lehnen wir in der Regel fast instinktiv ab. Erst wenn wir genug Hintergrundwissen und erste Erfahrungen gesammelt haben, können wir uns ein klareres Bild machen. Das schafft ein Gesetz nicht. Es wäre somit für ein Unternehmen ratsam, nicht nur die Führungskräfte bezüglich der Altersthematik zu sensibilisieren und zu schulen, sondern auch die HR-Verantwortlichen. HR-Leute spielen eine Schlüsselrolle, denn als Berater  der Linie können sie einen wesentlichen Beitrag leisten, um den Mindset der Entscheidungsträger zu öffnen und sie dabei zu unterstützen, neue Wege zu gehen und latente Diskriminierung abzubauen. Diskriminierungen schaden nicht nur den Betroffenen, sie bremsen ein Unternehmen auch in seiner Entwicklung aus.