Von Tätern und Opfern - Ein Appell an die Eigenverantwortung
19. Februar 2016
Ein Mitarbeiter erhält nach über zwanzigjähriger Firmenzugehörigkeit die Kündigung. In so einem Fall steht der Betroffene nicht selten unter Schock und die Empörung bei Arbeitskollegen und Bekannten ist gross. Aber ist das wirklich gerechtfertigt?
Ich teile die Meinung, dass bei einer Kündigung soziale Aspekte und die persönliche und finanzielle Situation einer betroffenen Person nicht ausser Acht gelassen werden dürfen. Trotzdem kann in einem Kündigungsfall nicht per se von einer klaren Opfer-Täter- Situation ausgegangen werden.
Ein Arbeitsverhältnis ist ein Geben und ein Nehmen und basiert auf Freiwilligkeit und Gegenseitigkeit. Niemand wird gezwungen, für einen bestimmten Arbeitgeber zu arbeiten. Wie sich ein Arbeitsverhältnis gestaltet, wird von beiden Seiten massgeblich geprägt und beeinflusst. Habe ich als Arbeitnehmer den Eindruck, für meine Arbeit und meine Leistung nicht angemessen mit Geld, Anerkennung und Wertschätzung entlöhnt zu werden, habe ich die Möglichkeit, daran etwas zu ändern, in dem ich es einfordere oder mich bei weiterem Ausbleiben nach einem neuen Arbeitgeber umsehe.
Spätestens an dieser Stelle kommen die ersten Einwände. Es sei nicht einfach, einen neuen Job zu finden, angesichts des Alters, der Ausbildung, der persönlichen Situation, etc. Aber was kann der Arbeitgeber effektiv dafür? Klar, für das Alter können wir alle nichts dafür, wir werden nun mal älter. Jedoch können wir ganz viele andere Aspekte massgeblich beeinflussen, in dem wir uns rechtzeitig und immer wieder Gedanken zu unserer beruflichen Situation machen. Gerade in der heutigen schnelllebigen Zeit kann es sich niemand mehr leisten, sich auf den eigenen Lorbeeren auszuruhen und wenn doch, muss man auch bereit sein, vielleicht irgendwann die Konsequenzen trägen zu müssen und das gilt nicht nur für langjährige Mitarbeitende. Wir können uns nicht vor Veränderungen und Weiterentwicklungen verschliessen und sollten uns Bewusste sein, dass sich auch auf dem Arbeitsmarkt Nachfrage und Angebot wandelt. Zudem darf nicht vergessen werden, dass 80% der Innovationen und neuen Ideen in Unternehmen von neuen Mitarbeitenden stammen. Nicht nur ein Unternehmen sollte ein Interesse daran haben, die eigene Organisation regelmässig mit neuen Mitarbeitenden von extern zu verstärken, sondern auch als Arbeitnehmer kann man sich Gedanken machen, wo man sich neu einbringen und gleichzeitig auch den eigenen Horizont an Wissen und Erfahrung erweitern könnte.
Über zwanzig Jahre für den gleichen Arbeitgeber zu arbeiten ist aus meiner Sicht nicht zwingend ehrenwürdig und rechtfertigt auch nicht ein Arbeitsverhältnis bis zur Pensionierung. Es gibt durchaus Mitarbeitenden, die sich innerhalb eines Unternehmens über Jahre weiterentwickelt und aktiv an ihrer beruflichen Laufbahn gearbeitet haben, aber das sind auch in der Regel nicht jene Mitarbeiter, welche nach langjähriger Firmentreue ihre Stelle verlieren. In vielen Fällen sind es jene Mitarbeiter, die sich ab einem gewissen Punkt zu Unrecht in Sicherheit wiegten, jahrelang dem gleichen Job nachgingen und irgendwann auch den Punkt erreicht haben, wo auch nicht mehr von wertvoller langjähriger Erfahrung gesprochen werden kann, da der Zenit längst erreicht wurde und keine weitere Entwicklung stattgefunden hat. Es ist dann genau dieser Typ von Miterbeiter, der in eine Schockstarre gerät, entsetzt und verärgert ist und beispielsweise vergisst, dass er in all den Jahren einen Lohn bezogen hat, womöglich verbunden mit jährlichen Lohnerhöhungen, ohne sich je ernsthaft gesamtheitlich mit seiner beruflichen Situation oder seiner Marktfähigkeit auseinandergesetzt zu haben.
Es gibt durchaus Firmen, die sich solchen Mitarbeitenden im Rahmen ihrer Nachfolgestrategien frühzeitig widmen und ihnen auf die Sprünge helfen. In den meisten Fällen geht dies jedoch unter und daher ist es als Arbeitgeber umso wichtiger, Eigenverantwortung zu übernehmen. Wer sich nicht rechtzeitig und regelmässig mit der eigenen beruflichen Situation auseinandersetzt, wird früher oder später aus der einen Komfortzone gekippt, was sehr schmerzlich und mit massiven Kollateralschäden verbunden sein kann.
Führungskräfte kann ich nur raten, gerade auf langjährige Mitarbeiter ein Auge zu haben, denn damit erspart man den Betroffenen, aber auch sich selber, dem Unternehmen und auch den „hinterbliebenen“ Mitarbeitenden eine Menge Ärger und Sorgen.