Künstliche Intelligenz in HR – von Hypes und Realität oder Chancen und Grenzen
19. Juni 2025

Ein fiktiver Dialog zwischen einem Digital-Transformations- und KI-Readiness-Experten und einer Psychologin zu Künstliche Intelligenz in HR.
Künstliche Intelligenz (KI) ist in aller Munde. Im HR-Bereich polarisiert sie besonders: Ist sie der Schlüssel zu effizienteren Prozessen, faireren Entscheidungen und besserer Mitarbeiterbindung? Oder ein überschätzter Trend mit hohem Risiko für Transparenz, Ethik und Menschlichkeit? In diesem fiktiven Gespräch diskutieren ein Digital-Transformations- und KI-Readiness-Experte Fridel Rickenbacher und eine Psychologin Alessandra Zito Rickenbacher auf Augenhöhe. Sie stellen kritische Fragen und beleuchten Chancen ebenso wie Gefahren.
KI-Experte: Wenn wir über KI im HR sprechen, ist einer der grössten Hypes sicher die Vorstellung, dass KI alle Prozesse automatisieren und den Menschen komplett ersetzen kann. Ganz ehrlich: Das ist Wunschdenken. Die komplette Automatisierung ist aktuell nicht realistisch.
Psychologin: Und genau diese Illusion sorgt für Verunsicherung. Viele Mitarbeitende haben Angst, dass sie durch KI ersetzt werden oder dass Entscheidungen über ihre berufliche Zukunft intransparent getroffen werden. Aus psychologischer Sicht ist hier Kommunikation entscheidend: Wer nicht versteht, wie eine KI funktioniert, wird ihr auch nicht vertrauen.
KI-Experte: Deshalb sage ich immer: Künstliche Intelligenz ist ein Werkzeug, kein Ersatz für Menschen mit gesundem Menschenverstand und kritischem Denken. Besonders gut funktioniert sie bei repetitiven Aufgaben wie dem Screening von Lebensläufen oder dem Planen von Bewerbungsgesprächen.
Psychologin: Solange wir klare Grenzen setzen, sehe ich da auch Vorteile. Aber wenn es um komplexe Entscheidungen geht – beispielsweise, ob jemand in eine Führungsrolle passt oder ob ein Team harmoniert –, da braucht es menschliches Urteilsvermögen, Empathie und Erfahrung.
KI-Experte: Definitiv. Und Unternehmen müssen bei der Implementierung auch ihre Hausaufgaben machen: Security first, Datenschutz und Datensicherheit (by default / by design) sind elementar. Es braucht klare Richtlinien, Verschlüsselung, regelmässige Sicherheitsprüfungen und adäquate Compliance.
Psychologin: Und Ethik. Viele Systeme wirken auf den ersten Blick objektiv, können aber unbewusst Vorurteile verstärken, wenn sie mit verzerrten Daten trainiert wurden. HR muss sicherstellen, dass Algorithmen regelmässig auf Bias geprüft und Entscheidungen nachvollziehbar dokumentiert werden, auch zugunstem vom sogenannten „Anti-Blackboxing“.
KI-Experte: Richtig. Damit verbunden ist auch die Gefahr der zu starken „Vermenschlichung“ der KI. Je natürlicher sich ein Chatbot ausdrückt, desto eher wird er als Ersatz für echte Kommunikation wahrgenommen und es entstehen mitunter auch gefährliche Entscheidungsgrundlagen in dieser „Systemgläubigkeit“. Aber: KI ist kein „menschlicher“ Gesprächspartner, kein Entscheider, kein Mensch, hat aber schon lange grosses Potential als Sparringpartner und Mentoring-Fähigkeiten.
Psychologin: Das darf HR niemals vergessen. Der Mensch muss die letzte Instanz bleiben. Der gesunde Menschenverstand, kritisches Denken, die Fähigkeit, Kontext zu bewerten – das alles kann Künstliche Intelligenz nicht vollumfänglich leisten.
KI-Experte: Aber sie kann HR enorm unterstützen. Zum Beispiel bei Talentmanagement und der Know-how-Matrix. KI kann Daten analysieren, Muster erkennen, Potenziale sichtbar machen und Entwicklungspfade aufzeigen.
Psychologin: Und bei der Zufriedenheit im Unternehmen. KI kann Muster in Feedbacks oder Umfragen erkennen, Hinweise auf Unzufriedenheit früh liefern und so helfen, Massnahmen rechtzeitig zu setzen. Auch individuelle Lernbedürfnisse und Potentiale zugunsten dem Talent Management lassen sich durch KI analysieren.
KI-Experte: In der Weiterbildung kann Künstliche Intelligenz personalisierte Lernpläne erstellen, Lernfortschritte tracken, Gamification-Elemente integrieren. So wird Lernen effizienter – und oft auch motivierender.
Psychologin: Allerdings braucht es den Menschen als Coach, Sparringpartner, Motivator. Kein System kann so fein auf emotionale Dynamiken und Empathie reagieren wie ein erfahrener HR-Profi.
KI-Experte: Und Führungskräfte profitieren ebenfalls. KI kann helfen, schwierige Gespräche vorzubereiten, z. B. bei Konflikten oder Beurteilungen. Sie kann Hinweise auf mögliche Reaktionen liefern oder strukturierte Leitfäden vorschlagen.
Psychologin: Das ist ein guter Punkt. Gerade unerfahrene Führungskräfte können durch solche Tools Sicherheit gewinnen. Trotzdem bleibt das echte Gespräch, das empathische Zuhören, das authentische Führen unersetzbar.
KI-Experte: Stichwort digitale Transformation: Künstliche Intelligenz in HR ist nur ein Aspekt von vielen älteren Hausaufgaben. Aber sie ist ein Treiber für neue Strukturen, mehr Datenkompetenz, agile Prozesse und mitunter auch Pusher in Bereichen wie „life long learning“ und der künftig stets wichtig werdenden, digitalen Souveränität.
Psychologin: Und für einen kulturellen Wandel. HR muss diesen aktiv mitgestalten: Lernkultur statt Fehlerangst, Dialog statt Top-down. Die Menschen müssen eingebunden werden in der Mitgestaltung und neuem Mindset, nicht überrollt.
KI-Experte: Was für viele der „heilige Gral“ ist, sind KI-gestützte Bewerberauswahlprozesse. Matching-Algorithmen, Chatbots, automatisierte Scoring-Systeme. Und: Die frühzeitige Erkennung von Abwanderungstendenzen bei Mitarbeitenden.
Psychologin: Solange die Systeme fair sind und nachvollziehbar arbeiten, können sie ein Gewinn sein. Aber sobald ein Algorithmus nicht erklären kann, warum jemand aussortiert wurde (z.b. Stichworte „Blackbox“ und „vertrauenswürdige und erklärbare KI“) – wird’s kritisch.
KI-Experte: Ein weiteres Einsatzfeld: Diversität und Inklusion. Künstliche Intelligenz in HR kann helfen, unbewusste Vorurteile sichtbar zu machen, diverse Bewerbungen zu fördern, inklusive Sprache zu etablieren.
Psychologin: Ja. Aber nur, wenn die Trainingsdaten divers und repräsentativ sind. Und wenn HR aktiv überprüft, wo KI bestehende Diskriminierung verstärkt statt abbaut.
KI-Experte: Zum Abschluss: Was wären deine Tipps für Unternehmen, die Künstliche Intelligenz in HR einbauen wollen?
Psychologin:
- Baut Kompetenzen auf – in HR, in möglichst der ganzen betroffenen Belegschaft, nicht nur in der IT.
- Fangt klein an, mit Pilotprojekten, basierend auf sogenannten „use cases“ (Anwendungsfälle mit business Impact).
- Schafft Transparenz, fördert Vertrauen und digitale Souveränität und nehmt Ängste ernst.
- Achtet auf Ethik, Fairness, Erklärbarkeit.
- Und: Der Mensch bleibt im Mittelpunkt. Technologie ist ein Werkzeug – kein Ersatz für Empathie, Kommunikation und Kultur.
KI-Experte: Dem ist nichts hinzuzufügen. KI ist kein Allheilmittel, aber ein starkes Werkzeug – wenn wir es richtig einführen, trainieren und zugunsten von messbarem „business impact“ einsetzen.
Fazit: Künstliche Intelligenz in HR ist mehr als ein Trend. Es ist ein Werkzeug mit grossem Potenzial, aber auch mit grosser Verantwortung. Wer sie einsetzt, muss sowohl die Chancen als auch die Risiken kennen. HR bleibt das Herzstück für Kultur, Vertrauen und Menschlichkeit im Unternehmen. KI kann das unterstützen – aber niemals vollumfänglich ersetzen. Die Diskussion um KI in HR ist komplex und vielschichtig. Während die Technologie grosses Potenzial bietet, gibt es auch viele Herausforderungen und Missverständnisse. Es ist wichtig, dass Unternehmen einen ausgewogenen Ansatz verfolgen und sowohl die Vorteile als auch die Risiken der KI berücksichtigen. Nur so kann die Technologie sinnvoll und effektiv eingesetzt werden.