Die fortschreitende Digitalisierung und der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) haben die Art und Weise, wie Unternehmen neue Mitarbeiter/innen auswählen, grundlegend verändert. KI spielt somit auch in der Personalauswahl und ebenso in der Personaldiagnostik eine immer grössere Rolle, was sowohl mit Chancen wie auch mit Risiken verbunden ist.

Was ist Künstliche Intelligenz?

KI ist die Fähigkeit von Maschinen, menschliche Intelligenz nachzubilden und diese Fähigkeit ist durch zwei Hauptmerkmale gekennzeichnet: Erstens kann Künstliche Intelligenz auf der Basis vorhandener Daten eigenständig Entscheidungsprinzipien generieren, um bestimmte Ziele zu erreichen. Zweitens kann sie selbstständig lernen und im Laufe der Zeit immer bessere Entscheidungen treffen. Im Idealfall könnte eine KI beispielsweise einen Algorithmus berechnen, der geeignete Personen für eine bestimmte Stelle identifiziert.

KI-Algorithmen in der Personalauswahl

In der Personalauswahl kommen verschiedene KI-Algorithmen zum Einsatz, um den Auswahlprozess zu optimieren. Hier sind einige gängige Algorithmen:

  • Maschinelles Lernen: ML-Algorithmen werden verwendet, um Muster in grossen Datensätzen zu erkennen. Beispiele sind Entscheidungsbäume, Random Forests, Support Vector Machines und künstliche neuronale Netze. Diese Algorithmen können für die Vorhersage von Kandidatenerfolg oder die Identifizierung von Talenten eingesetzt werden.
  • Natural Language Processing (NLP): NLP-Algorithmen analysieren Textdaten, z. B. Lebensläufe oder Bewerbungsschreiben. Sie können relevante Informationen extrahieren, Stimmungsanalysen durchführen oder automatisierte Antworten generieren.
  • Recommender Systems: Diese Algorithmen empfehlen Kandidaten auf der Grundlage von Ähnlichkeiten zu bereits erfolgreichen Mitarbeitern oder anderen relevanten Faktoren.
  • Automatisierte Interviews: Chatbots und virtuelle Assistenten führen automatisierte Interviews mit Kandidaten durch. Sie analysieren Antworten, um die Eignung zu bewerten.

Es ist wichtig zu beachten, dass die Wahl des Algorithmus von den spezifischen Anforderungen des Unternehmens und der Position abhängt. Ein datengetriebener Ansatz und die Zusammenarbeit mit Fachleuten sind entscheidend, um die besten Ergebnisse zu erzielen.

Künstliche Intelligenz hat in der Personalauswahl sowohl Chancen als auch Risiken

Die Implementierung von KI-basierten Lösungen birgt einige Herausforderungen. Daher ist es wichtig, sich der Chancen und Risiken bewusst zu sein.

Chancen

  • Künstliche Intelligenz kann den Auswahlprozess beschleunigen und die Effizienz steigern, indem sie grosse Datenmengen in kurzer Zeit analysiert und Muster erkennt. So kann KI auch schnell die Profile von Bewerber/innen mit den Anforderungen der Stellen abgleichen.
  • Intelligente Algorithmen können den Personalbedarf prognostizieren und die Personalplanung optimieren.
  • KI kann auch dabei helfen, Stellenanzeigen zu verbessern und zielgerichteter zu gestalten.
  • KI-Algorithmen sind unvoreingenommen und treffen Entscheidungen auf der Grundlage von Daten, ohne menschliche Vorurteile. KI-Technologien ermöglichen somit eine standardisierte und objektive Bewertung von Bewerber/innen.

Risiken

  • Es kann zu Bias und Diskriminierung kommen, den KI ist nur so gut wie ihre Algorithmen. KI ist grundsätzlich objektiv und vorbehaltslos. Wenn KI-Modelle jedoch auf Daten trainiert werden, die Vorurteile und Stereotypisierungen beinhalten, werden dadurch Ungleichheiten aufrechterhalten und begünstigt.
  • KI-Modelle sind oft schwer zu interpretieren, was sich in einem Mangel an Transparenz zeigt und schliesslich zu einem Vertrauensproblem führen kann.
  • KI-Modelle benötigen qualitativ hochwertige Daten für das Training. Wenn die verfügbaren Daten unvollständig, ungenau oder verzerrt sind, kann dies die Leistung der KI beeinträchtigen.
  • Künstliche Intelligenz kann menschliche Intuition und soziale Kompetenz nicht ersetzen.

Besondere Herausforderungen in der Implementierung

  • Bias und Fairness: KI-Modelle können unbewusste Vorurteile aus den Trainingsdaten übernehmen. Es ist wichtig, diese zu erkennen und zu minimieren, um faire Ergebnisse zu erzielen. Jedoch ist die Definition von Fairness komplex und kontextabhängig.
  • Mangende Erklärbarkeit: KI-Modelle wie neuronale Netzwerke sind oft "Black Boxes". Das bedeutet, sie liefern Ergebnisse, ohne dass wir genau verstehen, wie diese zustande gekommen sind. Modelle, die sensible personenbezogene Daten verarbeiten, müssen transparent gestaltet und erklärbar sein.
  • Skalierung und Wartung: Die Skalierung von KI-Systemen auf grosse Datensätze und Echtzeitanforderungen erfordert Ressourcen und Infrastruktur. Die Wartung und Aktualisierung von Modellen, um mit sich ändernden Daten Schritt halten zu können, ist eine fortlaufende Aufgabe.
  • Datenverfügbarkeit: Die Beschaffung relevanter Daten kann ebenfalls eine Herausforderung sein.
  • Akzeptanz und Vertrauen: Menschen müssen KI-Systemen vertrauen, um sie zu akzeptieren. Die Kommunikation über den Einsatz, die Funktionsweise und Grenzen von KI ist entscheidend.

Matchentscheidend aber noch ungenügend: Psychometrische Güte

Die Psychometrische Güte von Künstlicher Intelligenz in der Personalgewinnung ist noch nicht genügend sichergestellt. Es braucht entsprechend weitere Forschung, denn es bestehen Wissenslücken, insbesondere in Bezug auf KI-basierte Interviews. Psychometrische Gütekriterien sind die Qualitätsmerkmale eignungsdiagnostischer bzw. psychologischer Messinstrumente wie Testverfahren, Assessment Center und Interviews. Man unterscheidet zwischen Hauptgütekriterien und Nebengütekriterien.

Hauptgütekriterien

  • Objektivität: Sind die Ergebnisse unabhängig von Einflüssen der Untersucher oder der Untersuchungssituation bei Durchführung, Auswertung und Interpretation zustande gekommen?
  • Reliabilität: Wird das Merkmal zuverlässig gemessen oder ist die Messung in zu grossem Ausmass mit Messfehlern behaftet?
  • Validität: Misst das Verfahren tatsächlich das gewünschte Merkmal? Ist die Verwendbarkeit des Verfahrens für eine diagnostische Entscheidung gegeben?

Nebengütekriterien

Umfassen Aspekte wie Utilität (Nützlichkeit), Akzeptanz, Testfairness, Testökonomie, Transparenz, Unverfälschbarkeit, Zumutbarkeit und Normierung.

KI basiert auf Daten, jedoch sind Menschen mehr als ihre Daten

Oder wie ich immer in Auswertungsgesprächen im Zusammenhang mit Eignungsdiagnostik zu sagen pflege: „Menschen sind mehr als ihre Testergebnisse“.

Daten, die wir über einen Menschen sammeln, müssen immer auch in den richtigen Kontext gesetzt werden, egal aus welchen Quellen sie stammen. Auch muss davon ausgegangen werden, dass so gut wie nie alle notwendigen Daten vorliegen und Datenquellen immer lückenhaft sein können. Zudem ist der Mensch ein ziemlich komplexes und nicht immer logisches Geschöpf.

Beispielsweise können sich zwei Menschen stark unterscheiden, auch wenn sie in einem Persönlichkeitstest ähnliche Ergebnisprofile aufweisen. Dafür kann es ganz unterschiedliche Gründe geben. Da wäre beispielsweise die soziale Erwünschtheit: Ob jemand in einem Test authentisch antwortet oder sich dabei an das vermeintlich sozial Erwünschte hält, kann meist erst durch ein persönliches Gespräch oder die Berücksichtigung weiterer Testergebnisse aufgedeckt werden. Des Weiteren können Testergebnisse beispielsweise durch Vorwissen und vergangene Erfahrungen beeinflusst werden. Künstliche Intelligenz wäre damit überfordert.

In einem eignungsdiagnostischen Verfahren werden in der Regel verschiedene Tests verwendet und die ganzheitliche Interpretation der Ergebnisse wird KI meiner Einschätzung und Erfahrung nach noch nicht bewerkstelligen können, da die Analyse mit Hilfe von KI zu „grobkörnig“ und noch nicht so akkurat wie notwendig ausfällt. Zudem kann es zu regelrechten Fehlinterpretationen und falsch gedeuteten Zusammenfassungen kommen.

Es bedürfte einer Unmenge an Daten, um die verschiedenen Variationen erfassen zu können. KI in der groben Vorselektion zu nutzen, macht hingegen durchaus Sinn, vorausgesetzt es werden die korrekten Ein- und Ausschlusskriterien gewählt.

Künstliche Intelligenz versus Mensch

KI kann sehr grosse Mengen an Daten analysieren und Muster erkennen, was für Menschen hinsichtlich des Zeitaufwandes und der Komplexität viel schwieriger und aufwändiger ist und nicht selten auch mit einer entsprechenden Fehleranfälligkeit einhergeht. Der Mensch hat hingegen eine bemerkenswerte Fähigkeit zur Flexibilität und Anpassung, die Künstliche Intelligenz oft nicht erreicht. Der Mensch kann sich an verschiedene Situationen anpassen, kreativ denken und unerwartete Probleme lösen. KI-Systeme sind hingegen auf ihre spezifische Programmierung und Trainingsdaten beschränkt. Sie können nicht spontan ausserhalb dieser Grenzen agieren. KI ist somit oft auf bestimmte Aufgaben oder Domänen spezialisiert. Zum Beispiel kann ein KI-Modell für Gesichtserkennung nicht plötzlich auch Texte auswerten oder übersetzen. Der Mensch kann hingegen vielseitiger sein und in verschiedenen Bereichen tätig werden. Vor allem kann KI auch keine echte Kreativität oder Emotionen aufbringen, denn sie folgt strikt Algorithmen und Regeln. Nur menschliche Intelligenz kann kreative Lösungen finden, Emotionen empfinden und soziale Interaktionen meistern.

KI versus Mensch – vielmehr UND als ENTWEDER-ODER

Aktuell kommt Künstliche Intelligenz in der Personalauswahl und der Personaldiagnostik nicht ansatzweise an die diagnostischen Fähigkeiten eines Menschen heran. Letztlich geht es jedoch auch nicht darum, Mensch durch Maschine zu ersetzen. Vielmehr soll es darum gehen, den Menschen mit KI in seinen Fähigkeiten und Möglichkeiten zu unterstützen.

In der Gesamtschau können resp. könnten sich Menschen und Künstliche Intelligenz gut ergänzen. Während KI bestimmte Aufgaben effizienter erledigen kann, bleiben menschliche Kreativität und soziale Fähigkeiten unersetzlich. Dies ist der Hauptgrund, weshalb KI im Bereich der Personalgewinnung und in der Eignungsdiagnostik letztlich nur beschränkt eingesetzt werden kann. Zudem ist es unterlässlich, KI mit Bedacht und verantwortungsbewusst einzusetzen, im Wissen der Chancen und Risiken, die der Einsatz von KI mit sich bringt.