Rituale geben nicht nur Kindern Sicherheit und das Gefühl von Stabilität, können aber auch zwanghafte Züge annehmen und in Zwangsstörungen münden.

Zwangsstörungen sind als zwanghafte Rituale zu verstehen, die sich in Zwangshandlungen und Zwangsgedanken zeigen, die von den Betroffenen als belastend erlebt werden. Je länger Betroffene unter den Zwängen leiden, desto weniger sind sie in der Lage, Widerstand zu leisten. Meist fehlt es den Betroffenen nicht an der Einsicht, dass die Zwangshandlungen resp. Zwangsgedanken unsinnig oder übertrieben sind. Dies hilft ihnen aber nicht direkt weiter, denn die Einsicht erhöht den Leidensdruck oft zusätzlich.

Je stärker die Zwänge sind, umso umfassender ist die Beeinträchtigung in immer mehr Lebensbereichen. Zwänge können die Lebensqualität der Betroffenen und ihrer Familien sehr stark einschränken.

Verlauf von Zwangsstörungen

Es kann davon ausgegangen werden, dass ca. 1% bis 3% der Bevölkerung an einer Zwangsstörung leidet. Zwangsstörungen gehören im Kindes- und Jugendalter zu den häufigsten psychischen Erkrankungen. Die Symptomatik ist oftmals sehr schambesetzt, sodass Zwänge lange verheimlicht werden, was eine frühzeitige Diagnosestellung hinauszögern kann. Die Häufigkeit und Stärke der Erkrankung ist im Alter von 10 bis 13 Jahren am höchsten und kommt bei Jungen doppelt so oft vor wie bei Mädchen. Zwangsstörungen bleiben bei bis zu 50% der Fälle auch im erwachsenen Alter bestehen. Aus einer Zwangsstörung können sich oft weitere psychische Erkrankungen entwickeln.

Symptomatik – wie sich Zwangsstörungen zeigen

  • Zwangsgedanken: Wiederkehrende, sich aufdrängende Gedanken, die als belastend und quälend erlebt werden.
  • Zwangshandlungen: Bewusste, wiederholte Handlungen, die ein unangenehmes Gefühl abschwächen oder zum Verschwinden bringen sollen. Beispiel: wiederholtes Händewaschen (sichtbare Zwangshandlung) oder wiederholtes Denken eines bestimmten Satzes (unsichtbare Zwangshandlung). Unsichtbare Zwangshandlungen werden meist dann ausgeführt, wenn die Ausführung von sichtbaren Zwangshandlungen nicht möglich oder sehr schambesetzt ist (z. B. in der Öffentlichkeit, bei der Arbeit, in der Schule).
  • Gefühl der Unvollständigkeit oder Unvollkommenheit: Das Gefühl, dass eine Handlung nicht richtig und korrekt vollzogen wurde. Dieses Gefühl der Unvollkommenheit zeigt sich beispielsweise darin, dass Dinge auf eine ganz bestimmte Art und Weise gemacht werden müssen oder Handlungen wiederholt werden müssen, bis es sich „richtig und korrekt anfühlt“.
  • Weitere negative Gefühle: Angst, Ekel, Schuld, Scham,
  • Weitere Symptome: körperliche Anspannung, Beklommenheit und Druckgefühl im Hals oder Bauch, Schwitzen, Übelkeit etc.
  • Vermeidungsverhalten:  Verbunden mit dem Versuch, Gefühle und Handlungen zu regulieren, wird der Kontakt mit bestimmten Gegenständen, Menschen oder Situationen vermieden. Vermeidungsverhalten kann zu massiven Einschränkungen im Alltag führen, beispielsweise wenn dadurch der Schulbesuch oder das Nachgehen einer beruflichen Tätigkeit nicht mehr möglich ist.

Die möglichen Gründe für die Entwicklung einer Zwangsstörung

Es kann davon ausgegangen werden, dass es nicht eine einzelne Ursache gibt. Es sind vielmehr unterschiedliche Faktoren, die in der Kombination zu Entwicklung und Aufrechterhaltung einer Zwangsstörung beitragen können.

  • Biologische Faktoren:  Zwangsstörungen können vererbt werden. Nicht selten leiden auch Eltern unter einer psychischen Störung mit entsprechend zwanghaftem und/oder ängstlichem Verhalten. Dies widerspiegelt sich dann auch oftmals im Erziehungsstil.  
  • Persönlichkeitsfaktoren: Menschen mit einer hohen Gewissenhaftigkeit sowie einem erhöhten Anspruch an Sicherheit, Kontrolle und Perfektion zeigen eine erhöhte Neigung zu Zwangsstörungen.
  • Soziale Faktoren:  Belastungen, die im sozialen Umfeld auftreten, sowohl in der Familie, im Freundeskreis, in der Schule oder bei der Arbeit, können ebenfalls Zwangsstörungen auslösen.
  • Belastende Ereignisse und Erfahrungen: Sowohl alltägliche Ereignisse wie ein Umzug aber auch ausserordendliche Ereignisse wie das Erfahren von Gewalt und Missbrauch können zwanghaftes Verhalten zur Folge haben.
  • Zwänge als Folge von Ängsten: Zwangsgedanken und Zwangshandlungen können sich auch aus einer Angststörung entwickeln. Mit den Zwangsgedanken und Zwangshandlungen wird dann oftmals versucht, das entsprechende Angstgefühl «wegzumachen».

Was kann bei Zwangsstörungen helfen?

Kognitive Verhaltenstherapie mit Expositionen im Reaktionsmanagement

Diese Form der Therapie gliedert sich in drei Phasen. In der 1. Phase, der Stabilisierungsphase geht es primär um Einsichtsgewinnung und einer emotionalen Distanzierung von den Inhalten der Zwänge. Eine ausführliche Psychoedukation soll den Betroffenen und Angehörigen mit den notwendigen Informationen ein vertieftes Verständnis für die Ursachen, Symptomatik sowie für die Behandlungsmöglichkeiten ermöglichen. In der 2. Phase, der Intensivphase, finden Expositionsübungen statt, in denen Betroffene in einem sicheren Setting neue Strategien im Umgang mit zwangsauslösenden Situationen erlernen sollen. Diese Phase ist meist für Betroffene wie auch für Therapeuten sehr fordernd. Abgeschlossen wird die kognitive Verhaltenstherapie mit der 3. Phase, der Nachsorgephase. In dieser Phase stehen Faktoren, die zu einem Rückfall oder einem Aufrechterhalten von Zwängen beitragen können.

Achtsamkeit und Akzeptanz

In Ergänzung zur kognitiven Verhaltenstherapie können Achtsamkeits- und Akzeptanzansätze bei Zwangsstörungen helfen. Bei diesen Ansätzen liegt der Fokus nicht auf der Veränderung, sondern auf der Förderung von Akzeptanz. Betroffene sollen damit einen besseren und gelasseneren Umgang mit Zwangsgedanken und Zwangshandlungen finden. Das psychische Leiden soll gemildert werden, welches durch die Bemühungen, unangenehme Gefühle und Gedanken zu kontrollieren, entsteht. Auch geht es um die Reduktion von Vermeidungsstrategien und kontraproduktivem Verhalten, welches dem eigenen Wohlergehen schadet.

Medikamente

Eine ergänzende Behandlung mit Medikamenten kann den Therapieerfolg erhöhen oder eine kognitive Verhaltenstherapie oder Achtsamkeits- und Akzeptanzansätze überhaupt erst ermöglichen. Medikamente sollten jedoch für einen langfristigen Erfolg nicht als alleinige Therapieform gewählt werden, da entsprechende Medikamente primär der Symptombekämpfung dienlich sind und bei entsprechender Absetzung von einer erhöhten Rückfallrate ausgegangen werden muss.

In einer psychologischen Beratung erhalten Sie weiterführende Beratung und Unterstützung. Weiter hilfreiche Informationen zum Thema Zwänge finden Sie auf der Homepage der Schweizerischen Gesellschaft für Zwangsstörungen.