Angst - lebensrettend und lebenszerstörend zugleich
06. Februar 2023
Angst ist wie ein zweischneidiges Schwert, das lebensrettend und lebenszerstörend zugleich sein kann. Angst ist eine wesentliche menschliche Emotion und eines der stärksten Gefühle, die wir empfinden können. Es ist normal, von Zeit zu Zeit Ängste zu haben. Wenn Ängste jedoch Überhand gewinnt und man sich beispielsweise ständig vor etwas fürchten oder sehr oft an all die schlimmen Dinge denkt, die passieren könnten, könnte eine Angststörung dahinterstecken.
Ob die Bedrohung «eingebildet» oder real ist, spielt grundsätzlich keine Rolle
Angst ist eine sehr starke, grundsätzlich gesunde und wichtige Reaktion bei drohender Gefahr. Ob die Bedrohung «eingebildet» oder real ist, spielt für die physische und psychische Reaktion grundsätzlich keine Rolle, denn wir reagieren in beiden Fällen gleich. Angst kann durch viele Dinge ausgelöst werden, wie beispielsweise Dunkelheit, laute oder ungewohnte Geräusche oder soziale Ablehnung, etc. Die Reaktionen darauf können von leichtem Unbehagen bis hin zu völliger Panik reichen.
Fucht kann dazu führen, dass man sich angesichts der Gefahr schwach und ohnmächtig fühlt, ggf. völlig erstarrt und unfähig wird zu handeln. Daraus kann sich auch die sogenannte Angst vor der Angst entwickeln. Betroffene befürchten, gewisse Situationen nicht meistern zu können, sich vor anderen zu blamieren oder von anderen als schwach und verletzlich verurteilt zu werden.
Eine natürliche Emotion, die ausser Kontrolle geraten kann
Furcht ist eine normale Reaktion in bedrohlichen und stressauslösenden Situationen. Sie kann in manchen Situationen sehr hilfreich sein und gehört zu den wichtigsten Überlebensmechanismen, die wir haben. Ängste helfen uns, Gefahren zu vermeiden und uns vor seelischen und körperlichen Schaden zu bewahren. Deshalb ist es gut, manchmal auch Furcht zu empfinden. Wenn Ängste jedoch anfangen ausser Kontrolle geraten, können sie zu ernsthaften Problemen führen. Wenn die Angst es uns verunmöglich gewisse Dinge zu tun, wie zum Beispiel durch einen Tunnel zu fahren, mit dem Flugzeug in den Urlaub zu fliegen oder beim Spazieren an einem Hund vorbeizulaufen, dann ist die Angst nicht mehr lebensbewahrend, sondern lebenseinschränkend und ggf. sogar lebenszerstörend.
Angststörungen sind weit verbreitet. Neben Depressionen gehören Angststörungen zu den am häufigsten vorkommenden psychischen Erkrankungen.
Die verschiedenen Arten von Ängsten und Angststörungen
Es gibt verschiedene Arten von Ängsten, einige sind spezifisch, andere allgemein. Es lassen sich folgende Ängste, resp. Angststörungen unterscheiden:
Trennungsangst
Trennungsangst wird definiert als eine übermässige Angst vor der Trennung von zu Hause oder von einer Bezugsperson. Diese Angst kommt oft im Kindesalter vor, kann aber auch über die Jungend bis ins Erwachsenenalter anhalten und die Lebensqualität der Betroffenen aber auch der Familie und Bezugspersonen stark belasten.
Spezifische Phobie
Spezifische Phobien sich durch eine ausgeprägte Furcht vor einem spezifischen Objekt, resp. Situation gekennzeichnet, wie zum Beispiel Angst vor dem Fliegen, vor Höhe, vor Spinnen, vor Spritzen, etc.
Soziale Angststörung
Soziale Angststörungen werden auch soziale Phobie genannt und zeigen sich in einer ausgeprägten Furcht vor sozialen Situationen, bei denen eine Beurteilung oder Beobachtung von oder durch andere Personen stattfinden könnte. Dazu gehören beispielsweise Gespräche und Treffen mit anderen Personen, Essen/Trinken in Gesellschaft, Reden vor Publikum halten, etc.
Panikstörung
Eine Panikstörung ist durch eine plötzlich aufkommende und sehr intensive Angst, die innerhalb von wenigen Minuten ihren Höhepunkt erreicht, gekennzeichnet. Während einer Panikattacke treten in der Regel mindestes vier der folgenden Symptome aus:
- Herzklopfen, beschleunigter Herzschlag
- Schwitzen
- Zittern
- Kurzatmigkeit / Atemnot
- Gefühl zu ersticken
- Schmerzen / Druck im Brustbereich
- Schwindelgefühl / Benommenheit
- Frösteln oder Hitzegefühle
- Taubheit / Kribbelgefühle
- Gefühl, von der einen eigenen Person losgelöst zu sein (Depersonalisation)
- Befürchtung die Kontrolle zu verlieren / Befürchtung verrückt zu werden
- Angst zu sterben
Agoraphobie
Ausgeprägte Furcht vor dem Benutzen öffentlicher Verkehrsmittel, vor dem Aufenthalt auf offenen Plätzen, vor geschlossenen öffentlichen Räumen, vom Stehen in einer Schlange oder Menschenmenge, Frucht davor allein zu Hause zu sein. Bei Agoraphobie werden solche Situationen gefürchtet und vermieden, weil eine Flucht schwierig sein könnte, ggf. Hilfe nicht erreichbar wäre oder panikartiger Symptome sowie peinliches und beschämendes Verhalten befürchtet wird.
Generalisierte Angststörung
Bei der generalisierten Angststörung handelt es sich um anhaltende Sorgen und Spannungen, die in vielen Situationen und bezüglich mehrerer Ereignisse und Tätigkeiten über einen längeren Zeitraum hinweg auftreten, oftmals ohne offensichtlichem Grund. Dazu gehört auch, sich über viele Dinge übermässig viele Gedanken und Sorgen zu machen, was nicht selten im Herandenken von Horrorszenarien endet. Die betroffene Person hat dabei grosse Schwierigkeiten, die Sorgen zu kontrollieren, was unter anderem mit Gefühlen von Hilflosigkeit, Handlungsunfähigkeit und Scham einhergeht.
Angst besser verstehen und lernen, mit ihr auf gesunde Weise umzugehen
Angst ist eine natürliche Emotion, die wir alle erleben. Jedoch müssen wir lernen, mit ihr umzugehen, damit sie nicht unser Leben nachteilig beeinflusst und bestimmt. Furcht kann dazu führen, dass wir im Alltag unkonzentriert und unproduktiv werden und vorschnell aufgeben, wenn wir vor einer angsteinflössenden Situation oder Herausforderung stehen. Angst kann auch dazu führen, dass wir schlechte Entscheidungen treffen oder ungesunde Reaktionen zeigen, wenn wir mit etwas konfrontiert werden, das wir nicht mögen. Ängste, die zu viel Raum einnehmen, müssen verstanden und letztlich auch angenommen werden. Nur so kann ein gesunder Umgang mit den eigenen Ängsten gefunden werden, damit sie einem nicht beherrschen.
Vermeidung – eine Strategie, die das Problem langfristig nicht löst
Vermeidung kann eine durchaus hilfreiche Strategie sein. Wer angstauslösende Umstände vermeidet, schützt sich damit beispielsweise vor unangenehmen und gefährlichen Situationen. Wenn Ängste jedoch dazu führen, dass wir uns selbst einschränken und beispielsweise dadurch auf Dinge verzichten, die wir eigentlich mögen und gerne tun, dann ist Vermeidung definitiv nicht die beste Strategie, im Gegenteilt. Vermeidung führt in der Regel dazu, dass die Angst viel länger aufrechterhalten bleiben, als wenn wir uns der Angst direkt stellen würden.
Lernen, die Angst auszuhalten
Ängste können uns daran hindern, das zu tun, was wir im Leben tun wollen und müssen. Es ist daher wichtig, Wege zu finden, mit diesem Gefühl umzugehen, damit es uns nicht beherrscht. Die Fähigkeit, Unannehmlichkeiten der Furcht zu ertragen, ist eine Fähigkeit, die den Umgang mit Angst mit der Zeit erleichtert.
Wer sich beispielsweise fürchtet, vor Publikum zu sprechen, kann solche Situationen meiden, oder sich bewusst entscheiden, sich solchen Situationen aktiv zu stellen, um einen Umgang mit der Angst vor Publik zu finden. Das aktive Aufsuchen von angstauslösenden Situationen nennt man Exposition. Durch die wiederholte Konfrontation mit Umstanden und Gegebenheiten, die Furcht auslösen, soll der konstruktive Umgang erlernt werden. Indem neue Erfahrungen gesammelt werden, die einem aufzeigen, dass man in er Lage ist, vermeintlich bedrohliche Situationen zu meistern, kann die Angst immer besser kontrolliert werden.
Trauma als Ursache für Ängste
Phobien sind oft irrational, können aber auch mit früheren Erfahrungen oder Ereignissen zusammenhängen, die jemanden ängstlich gemacht haben. Menschen, die ein Trauma erlebt haben, können später im Leben Ängste entwickeln, die mit diesem spezifischen Ereignis oder dieser Situation zusammenhängen. Menschen, die an einer PTBS (posttraumatische Belastungsstörung) leiden, neigen zu einer erhöhten Empfindlichkeit gegenüber Reizen, die mit ihren traumatischen Erlebnissen in Verbindung stehen, was zu weiteren Ängsten vor bestimmten Dingen führen kann.
Ängstlichkeit als Persönlichkeitsanteil
Ängste können auch ein Hinweis auf ignorierte Bedürfnisse sein. Wie mit Angst und Stress umgegangen wird, hat einiges mit der Persönlichkeit zu tun. Es ist daher immer sehr hilfreich, sich im Zusammenhang mit Ängsten auch immer die Frage zu stellen, inwiefern es auch um vernachlässigte Grundbedürfnisse geht. Wer nicht auf seine Psyche hört, zeigt nicht selten irgendwann auch physische Symptome, die sich in Form der oben genannten Panik-Symptomen zeigen können.
Emotionale Stabilität
Bei der emotionalen Stabilität geht es um die Art und Weise, wie Emotionen, vor allem negative Emotionen, erlebt werden. Personen mit einer tieferen emotionalen Stabilität geben häufiger an, sie seien leicht aus dem seelischen Gleichgewicht zu bringen. Im Vergleich zu emotional stabilen Menschen berichten sie häufiger davon, negative Gefühlszustände zu erleben. Sie machen sich häufiger Sorgen und fühlen sich häufiger unsicher, verlegen, nervös, ängstlich, etc. Emotional stabile Menschen beschreiben sich in der Regel selbst als ruhig, ausgeglichen, sorgenfrei, und sie geraten auch in Stresssituationen nicht so schnell aus der Fassung.
Ängstliche Personen haben oft ein höheres Sicherheitsbedürfnis. Dies kann sich darin zeigen, dass sie weniger bis gar nicht für riskante Aktivitäten zu begeistern sind und auch weniger Freude an Überraschungen haben. So planen sie beispielsweise auch Urlaub und andere Aktivitäten gerne und nicht selten detailliert im Voraus. Werden solche Bedürfnisse ignoriert, kann sich dies in Ängsten und Vermeidungsstrategien zeigen.
Extraversion versus Introversion
Extravertierte Personen sind in der Regel gesellig, selbstsicher, aktiv, gesprächig, energisch, heiter und optimistisch. Extravertierte fühlen sich in Gruppen und auf gesellschaftlichen Versammlungen besonders wohl, lieben Aufregungen und neigen zu einem heiteren Naturell. Introvertierte Personen können nicht per se als Gegensatz zu extravertierten Personen gesehen werden. Vielmehr bevorzugen introvertierte Person ruhigere Aktivitäten, sind oft weniger redselig, aber auch unabhängiger und ausgeglichener. Auch sind sie nicht so sehr auf die Gesellschaft anderer angewiesen wie extravertierte Personen. Introvertierte leiden auch nicht notwendigerweise unter sozialer Ängstlichkeit, das Hauptcharakteristikum ist vielmehr der Wunsch allein zu sein. Wenn jedoch das Grundbedürfnis, auch genug Zeit für sich selbst zu haben, ignoriert wird, kann sich dies durchaus in einer Form von sozialer Ängstlichkeit zeigen.
Hilfsmittel bei Angst und Angststörungen – zwei Beispiele
Die Gegenimpuls-Technik
Bei dieser Technik geht es darum zu erkennen, was sich hinter einer Aussage versteckt. Bsp.: Alles dreht sich! In welche Richtung drehen denn die Gedanken? Lassen Sie es einfach in die andere Richtung drehen, dann hört es auf oder das Karussell gerät zumindest ins Stocken. Dadurch kann sich allmählich ein Gefühl der Entspannung oder zumindest eine gewisse Beruhigung einstellen.
Oft haben unangenehme körperliche Symptome mehrere Ebenen, auf denen wir Gegenimpulse setzen können:
- Bewegungsrichtung (links vs. recht, oben vs. unten)
- Temperatur (kalt, warm, heiss)
- Gewicht (schwer, leicht)
- Druckverhalten (eng, weit)
- Farbe (rot, blau, etc.)
- Helligkeit (hell, dunkel)
Es ist wertvoll, möglichst viel Informationen auf den verschiedenen Ebenen zu sammeln. So bekommen Sie mehr Ansatzpunkte, um Gegenimpulse setzen zu können. Meist bringt schon die Auseinandersetzung mit der Frage «Wie nehme ich die Angst wahr?», bereits eine gewisse Beruhigung. Beim Umgang geht es primär darum, die Angst anzunehmen, zu deuten und in eine neue Richtung zu lenken sowie Kontrolle zurückzugewinnen.
Die Zeitlupen-Technik
Bilder der Angst laufen in unserem Gehirn grundsätzlich schnell ab. Wie in einem Horrorfilm: Wir erschrecken in erster Linie dann, wenn etwas schnell passiert. Würden die einzelnen Horror- und Schreckbilder in Zeitlupe ablaufen, könnten diese Bilder kaum noch erschrecken. Stellen Sie sich daher Ihr Schreckbild, Ihr Angstbild mal in Zeitlupe vor. Versuchen Sie das Bild nicht zu verdrängen, sondern schauen Sie genau hin und lassen sie alles in Zeitlupe ablaufen. Sie werden feststellen, dass Ihr Schreckbild allmählich an Kraft und Wirkung verliert.
Hilfe holen, wenn die Angst ausser Kontrolle gerät
Verdrängen Sie Ihre Angstbilder nicht, sondern schauen Sie sie an und versuchen Sie hinter die Kulissen zu schauen, um die Angst zu verstehen. Lassen Sie nicht zu, dass Ihre Ängste Ihr Leben kontrollieren und Sie daran hindern, das Leben zu führen, das Sie führen möchten und können. Holen Sie sich bei Bedarf Hilfe und wenden Sie sich an Fachpersonen, die auf die Behandlung von Angststörungen spezialisiert sind, damit Sie lernen können, mit Ihren Ängsten konstruktiv umzugehen.