Genau hinschauen zahlt sich aus
06. Januar 2022

In meiner Tätigkeit im HR und als Eignungsdiagnostikerin hat sich immer wieder bestätigt: Genau hinschauen zahlt sich aus. Zudem zeigt sich immer wieder aufs Neue: Bei der Rekrutierung zu sparen, zahlt sich nicht aus – im Gegenteil! Wer bei der Rekrutierung spart, muss in Kauf nehmen, in der Zukunft überdurchschnittlich oft mit Mitarbeiterproblematiken und entsprechenden Personalkosten konfrontiert zu sein.
Auch Kleinvieh macht Mist
Es ist ein Trugschluss zu glauben, sich nur bei Kader- und Managementvakanzen intensiv mit der Rekrutierung auseinandersetzen zu müssen. Den genau hinschauen zahlt sich immer aus und den meisten Knatsch gibt es mit Mitarbeitenden und weniger mit Kader- und Managementmitgliedern, ganz nach dem Motto „auch Kleinvieh macht Mist“ – und nicht wenig! Die Kosten sind bei „normalen Mitarbeitenden“ nur scheinbar geringer, denn es wird oft vernachlässigt, dass bei Problemen meist nicht nur die Ressourcen der vorgesetzten Person beansprucht und überstrapaziert werden, sondern auch Teammitglieder, weitere Kadermitarbeitende (der Chef vom Chef) und HR in Beschlag genommen werden.
Nicht nur bei der Besetzung von Kader- und Managementvakanzen genau hinschauen
Die Rekrutierung soll stufengerecht verlaufen und kann nicht für alle gleich sein. Es macht kaum Sinn, kaufmännische Mitarbeitende in ein Assessment Center zu schicken oder vor der Geschäftsleitung vorsprechen zu lassen. Aber es gibt auch einzelne psychologische Testinstrumente und Gesprächstechniken, die sehr wohl auch bei scheinbar weniger kritischen Funktionen und Positionen eingesetzt werden sollten.
Gut durchdacht und geplant – gar nicht so zeit- und kostenintensiv wie oft befürchtet – aber ganz ohne Aufwand geht es auch nicht!
Ein solider Rekrutierungsprozess muss nicht immer teuer sein. Klar, wenn man mehrere Berater beizieht und mehrtägige Assessments durchführt, dann wird es teuer. Abgesehen davon, dass man sich über Sinn und Unsinn von Assessments streiten kann und die Qualität eines Assessment Centers mit der Qualität des Beraters/Assessors steht und fällt, ist eine erfolgreiche Rekrutierung vielmehr abhängig von der gewählten Strategie und dem eingesetzten Engagement der Entscheidungsträger. Maßgeblich entscheidend sind aus meiner Sicht vor allem ein klares und überlegtes Anforderungsprofil, eine kritische Analyse der Bewerbungsunterlagen durch einen Profi sowie strukturierte, hinterfragende Bewerbungsgespräche.
Der zweite Eindruck ist oft wichtiger als der erste
Fast unglaublich, aber auch heute werden Vakanzen noch immer auf der Grundlage eines einzigen Gespräches besetzt. Es wird nicht selten darauf verzichtet, eine Person noch zu einem Zweitgespräch einzuladen, wenn sie bereits im ersten überzeugt hat. Ein fataler Fehler! Zu oft habe ich es miterlebt, wie überraschend anders eine Person in einem zweiten Gespräch wirken kann. Sie werden noch überraschter sein, wie es nach einem ganzen Probetag aussieht.
Empfehlungen für eine erfolgreiche Rekrutierung
- Vorgängig Anforderungsprofil klar „ausdeutschen“: Ein detailliertes Anforderungsprofil hilft, die richtigen Kandidaten zu identifizieren und Missverständnisse zu vermeiden.
- Dossiers sorgfältig prüfen: Eine gründliche Prüfung der Bewerbungsunterlagen kann viele potenzielle Probleme bereits im Vorfeld aufdecken.
- Gespräch gut strukturieren und vorbereiten: Ein strukturiertes und gut vorbereitetes Gespräch ermöglicht es, alle relevanten Aspekte zu beleuchten und eine fundierte Entscheidung zu treffen.
- Gespräch nie alleine führen: Vier Augen und vier Ohren sehen und hören mehr. Ein zweiter Gesprächspartner kann wertvolle zusätzliche Perspektiven einbringen.
- Bauchgefühl nicht unterschätzen (aber auch entsprechend hinterfragen): Intuition kann ein wichtiger Faktor sein, sollte aber immer kritisch hinterfragt werden.
- Nie nur ein Gespräch pro Kandidat/in: Mehrere Gespräche ermöglichen es, ein umfassenderes Bild von den Kandidaten zu bekommen.
- Wenn möglich Probe(halb)tag einbauen: Ein Probetag bietet die Möglichkeit, die Kandidaten in der Praxis zu erleben und ihre Fähigkeiten und ihr Verhalten besser einzuschätzen.
- Alternative Informationsquellen prüfen: Beispielsweise kann ein gemeinsames Mittagessen interessante Zusatzinformationen liefern, und das Internet kann ebenfalls wertvolle Einblicke bieten.
- Je ganzheitlicher und umfassender der Gesamteindruck, desto vertretbarer die darauf basierenden Entscheidungen: Ein umfassender Gesamteindruck minimiert das Risiko von Fehlentscheidungen.
Last but not least
Wenn Sie einen Profi beiziehen, stellen Sie sicher, dass er oder sie Ihre Bedürfnisse wirklich verstanden hat und nicht nur das Anforderungsprofil kennt, sondern auch weiß, wie Sie, Ihr Team und das Unternehmen ticken.
Fazit
Eine sorgfältige und durchdachte Rekrutierung zahlt sich langfristig aus. Indem man nicht nur bei Kader- und Managementvakanzen, sondern auch bei der Besetzung von Positionen auf allen Ebenen genau hinschaut, kann man viele zukünftige Probleme vermeiden. Ein klar strukturiertes Vorgehen, das Einbeziehen verschiedener Perspektiven und das Nutzen von Probetagen und alternativen Informationsquellen sind entscheidende Faktoren für eine erfolgreiche Rekrutierung. Letztlich ist es wichtig, dass der Rekrutierungsprozess nicht nur auf kurzfristige Kosten, sondern auf langfristigen Erfolg ausgerichtet ist.