Wahrheit ist relativ, auch im Bewerbungsgespräch
Assessment Center - Eignungsdiagnostik, Führung & Leadership, Human Resources Management, Psychologie
09. Oktober 2020

Wahrheit ist relativ und auch wenn ein ideales Bewerbungsgespräch aus meiner Sicht nichts mit einem Verhör zu tun haben sollte, haben beide mehr gemeinsam, als man zunächst glauben würde oder möchte. Das Ziel jedes Bewerbungsgespräches sollte es sein, Klarheit auf beiden Seiten zu schaffen. Sowohl die potenzielle neue Arbeitgeberin wie auch die potenzielle neue Mitarbeiterin sollten alle Informationen erhalten, um sich für oder gegen eine Zusammenarbeit zu entscheiden.
Die Bedeutung der Strukturierung
Die Strukturierung eines Bewerbungsgesprächs ist eine Grundvoraussetzung, um aussagekräftige und relevante Informationen zu generieren, für beide Seiten. Ebenso wichtig ist jedoch auch die Grundhaltung der Person, die das Gespräch führt und deren Bewusstsein darüber. Verhörtechniken aus den USA, einem Land, in dem die Polizei in Bezug auf (un-)vorhandene Beweise lügen darf, zeigen auf, wie relativ ein Geständnis sein kann. Nahezu jeder Mensch kann zu einer Falschaussage und dem Gestehen einer (nicht begangenen) grausamen Tat gebracht werden. Unschuldige Menschen glauben in der Regel an das Gute und daran, dass letzten Endes die Wahrheit obsiegen wird. Die Realität sieht jedoch anders aus, wenn die verhörende Person gar nicht an der Wahrheit interessiert ist, sondern lediglich an einem Geständnis.
Einflussfaktoren auf die Gesprächsführung
Vorgefertigte Meinungen, Vorurteile, bewusste und unbewusste Absichten, aktuelle Stimmungslage und Laune, eigener Frust, ungenügende Gesprächsvorbereitung, Präferenzen, Unsicherheit, etc. beeinflussen jede Art von Gespräch und Interaktion und führen oft zu nichts Gutem. Vor allem in Gesprächen, bei denen eine Partei am «längeren Hebel» sitzt, so wie das oft in einem Bewerbungsgespräch der Fall ist, auch bei Vorherrschen von «Fachkräftemangel». Auch im «positiven» Fall, wenn wir bereits vor einem Bewerbungsgespräch entschieden haben, dass wir die Person «wollen», ist das meist schädlich für die Entscheidungsfindung und die spätere Zusammenarbeit, da wir dann meist alles Negative kategorisch ausblenden.
Die Rolle der Selbstreflexion
Strukturierte Bewerbungsgespräche sind eine Voraussetzung für wertschöpfende Gespräche, bieten jedoch keinen garantierten Schutz vor Manipulation und Fehlinterpretationen. So sind vor allem Anschluss- und ergänzende Fragen bewusst zu stellen. Hilfreich kann es beispielsweise sein, wenn wir uns vor einem Bewerbungsgespräch in Selbstreflexion üben und uns bewusst machen, mit welcher Haltung, Einstellung, Stimmung und Erwartung wir in das Gespräch gehen. Was wir hören und beobachten dient der Interpretation unserer Wahrheit, die nicht zwingend der Realität entspricht. Daher lohnt es sich beispielsweise, dem Gegenüber gehörte Aussagen zu spiegeln, um sicherzustellen, dass wir angemessen interpretieren. Nachfragen und um alternative Beispiele bitten kann ebenfalls nützlich sein.
Bewusste Gesprächsführung
Als Gesprächsführer/in steuern und beeinflussen wir die Themen und das Gesagte maßgeblich, nicht nur mit Worten und Gesten, sondern auch mit unserer Haltung und Absicht, dessen sollten wir uns bewusst sein. Eine bewusste Gesprächsführung erfordert daher nicht nur eine gute Vorbereitung, sondern auch eine kontinuierliche Selbstreflexion und Anpassung während des Gesprächs. Dies hilft, eine offene und ehrliche Kommunikation zu fördern und Missverständnisse zu minimieren.
Die Bedeutung der Vorbereitung
Eine gründliche Vorbereitung auf das Bewerbungsgespräch ist unerlässlich. Dazu gehört nicht nur das Studium der Bewerbungsunterlagen, sondern auch das Verständnis der Anforderungen der Position und der Unternehmenskultur. Eine gute Vorbereitung ermöglicht es, gezielte Fragen zu stellen und die Antworten der Bewerberin oder des Bewerbers besser einordnen zu können. Zudem sollte man sich über die eigenen Erwartungen und Vorurteile im Klaren sein, um diese bewusst zu hinterfragen und zu vermeiden, dass sie das Gespräch unbewusst beeinflussen.
Die Kunst des Zuhörens
Ein weiterer wichtiger Aspekt eines erfolgreichen Bewerbungsgesprächs ist die Kunst des Zuhörens. Aktives Zuhören bedeutet, dem Gegenüber volle Aufmerksamkeit zu schenken, nicht nur auf die Worte, sondern auch auf die nonverbalen Signale zu achten. Durch aktives Zuhören können Missverständnisse vermieden und eine tiefere Ebene des Verständnisses erreicht werden. Es zeigt dem Gesprächspartner auch, dass man seine Aussagen ernst nimmt und respektiert.
Fazit
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Bewerbungsgespräche und Verhöre mehr Gemeinsamkeiten haben, als man zunächst vermuten würde. Beide erfordern eine strukturierte Herangehensweise und ein hohes Maß an Bewusstsein und Reflexion seitens der Gesprächsführenden. Nur so kann sichergestellt werden, dass die gewonnenen Informationen tatsächlich der Wahrheit entsprechen und eine fundierte Entscheidungsfindung ermöglichen. Letztlich geht es darum, eine Atmosphäre zu schaffen, in der beide Seiten offen und ehrlich kommunizieren können, um die bestmögliche Grundlage für eine zukünftige Zusammenarbeit zu schaffen.
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